Abruzzen
Abruzzen – Höhenlage, Vielfalt und Qualität im Wandel
Kaum eine Region Italiens bietet derart extreme landschaftliche Kontraste wie die Abruzzen. Vom Adriatischen Meer steigt das Gelände innerhalb kurzer Distanz auf knapp 3.000 Meter an – mit dem Corno Grande und dem Monte Amaro als höchsten Erhebungen des Apennins. Etwa zwei Drittel der Region sind gebirgig, während das verbleibende Drittel in sanften Hügeln zur Küste hin abfällt – und genau hier entstehen auf Höhenlagen bis über 600 Meter bemerkenswerte Weine.
Diese besondere Topographie bringt eine enorme Bandbreite an Mikroklimata und Bodentypen hervor: von Kalk, Lehm und Sand bis hin zu Kies- und Felsformationen. Eine ideale Grundlage für einen facettenreichen Weinbau, der lange Zeit jedoch nicht ausgeschöpft wurde. Viele Winzer arbeiteten traditionell und lieferten ihre Trauben an Genossenschaften, die solide, aber wenig profilierte Weine erzeugten. Das Image der Region blieb dadurch über Jahre hinweg eher durchschnittlich.
Erst ab den späten 2000er Jahren wagten einige ambitionierte Betriebe eine stilistische Neuausrichtung. Pionier dieser Qualitätsbewegung war Gianni Masciarelli, dessen Engagement auf internationalen Bühnen Aufmerksamkeit erregte – nicht nur bei Verkostern, sondern auch bei Winzerkollegen, die seinem Beispiel folgten.
Heute zählen Montepulciano d’Abruzzo und Trebbiano d’Abruzzo zu den bedeutendsten Herkunftsweinen der Region. Ergänzt wird das Rebsortenspektrum durch Pecorino, Passerina und den farbintensiven Cerasuolo d’Abruzzo, ein kraftvoller Rosato mit Tiefgang – weit entfernt vom typischen Sommerwein.
Die Region verfügt über eine DOCG (Colline Teramane Montepulciano d’Abruzzo) sowie acht DOC-Zonen. Dennoch bleibt der Großteil der Produktion im einfachen Tafelweinsegment: Rund zwei Drittel der Erzeugung tragen keine geschützte Herkunftsbezeichnung, was etwa zehn Prozent der italienweiten Vino-Menge entspricht.
Rund 80 % der Weinproduktion konzentrieren sich auf die Provinz Chieti, die mit etwa 25.000 Hektar Rebfläche den Löwenanteil stellt. Die anderen drei Provinzen – L’Aquila, Teramo und Pescara – teilen sich etwa 7.800 Hektar.
Die rote Rebsorte Montepulciano ist das Aushängeschild der Abruzzen. Oft bereits jung zugänglich mit intensiver Frucht und weichen Tanninen, entwickelt sie bei Reifung bemerkenswerte Komplexität. Wichtig zu wissen: Trotz Namensgleichheit besteht keine Verbindung zum toskanischen Vino Nobile di Montepulciano.
Im Weißweinbereich dominiert Trebbiano d’Abruzzo, dessen genaue genetische Herkunft bis heute nicht abschließend geklärt ist. Weitere autochthone und regionale Sorten wie Pecorino, Bombino Bianco, Malvasia, Verdicchio oder Falanghina ergänzen das Spektrum, wenngleich sie in geringerem Umfang kultiviert werden.
Qualitativ bewegen sich insbesondere die Weißweine inzwischen auf beachtlichem Niveau, was regelmäßige Erfolge bei internationalen Wettbewerben zeigen. Ihr begrenztes Angebot macht sie jedoch nach wie vor zu gesuchten Raritäten unter Kennern.